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Zum 5. Mal bin ich in Biel gestartet. Das hat den Vorteil, dass man viele Dinge gleich machen kann, wie in erfolgreichen Jahren und kleine Optimierungen vornehmen kann.
Trainingsmässig fühlte ich mich recht gut, viele lange Läufe und oder Wettkämpfe über 42 km oder mehr sollten ein gutes Fundament geben. Allerdings fehlte mir etwas die Konstanz: mal lief es super, mal nicht so.
Neu war für mich die Tatsache, dass aus unserem Läuferchat 2 weitere Mitglieder die 100er Premiere anstrebten und parallel dazu 5 ArbeitskollegInnen eine Staffel liefen. Nebst einem neuen Velobegleiter. Und als in der Staffel ein Mitglied nicht starten konnte, organisierte ich einen Ersatzläufer. Das alles sorgte dafür, dass ich viele Tipps zu verteilen hatte, viele Absprachen und Organisatorisches erledigte. Aber die Vorfreude wuchs trotzdem.
Diese wurde dann zunehmend durch die Wetterprognose getrübt. Zwar konnte ich noch bei besten Bedingungen nach Biel fahren. Aber ich hatte noch kaum den VW- Bus abgestellt als die ersten Regentropfen fielen. Unter der Store gab es Rösti zum Znacht. Dann versuchte ich kurz zu schlafen. Bald aber trudelten die Staffel-KollegInnen ein, kurz darauf Matthias, der ebenfalls noch Znacht bekam. Dann kurz die anderen Solo-Läufer besuchen, umziehen, WC-Gang… Die Zeit flog nur so dahin, ich hatte nicht ansatzweise die Gelegenheit alle die Leute zu treffen, die ich inzwischen in Biel kenne. Ich entschied mich eher kurzfristig, meinen leichten Laufpullover UND die Jacke mitzunehmen. Es war frischer als ich gedacht hatte.
Kurz vor 22.00 Uhr reihte ich mich ziemlich weit hinten ein. Nachdem die Starterzahlen jahrelang zurückgegangen waren, hatte es heuer wieder über 1000 Anmeldungen in Einzellauf, davon starteten 950 und knapp 730 finishten.
Der Start erfolgte traditionell mit einem Countdown, den Toten Hosen «An Tagen wie diesen», die Bienna Jets liefen vorne weg und die Masse setzte sich in Bewegung. Unter dem Applaus der Zuschauer ging es hinaus in die Nacht.
Zwar war es momentan wieder trocken, aber die regnerische Witterung sorgte dafür, dass deutlich weniger Zuschauer am Strassenrand standen – oder später in der Stadt in Bistrots sassen.
Ich lief gemütlich und ohne gross auf die Uhr zu schauen los, wie ich später merkte nur leicht langsamer als ich geplant hatte. Beim ersten Verpflegungsposten, nach rund 5 km gab es einen kurzen Regenschauer und ich war froh um meine Regenjacke. Diese konnte ich aber bald wieder ausziehen, bald wieder anziehen… Kurze Schauer nässten die Läufer und die Zuschauer, die uns trotz allem anfeuerten und die Laufnacht genossen.
Bis Lyss gibt es wenig zu berichten – Details finden sich genügend in den früheren Ausgaben dieses Berichts.
https://forum.runningcoach.me/forums/rc_forum/topics/100-km-von-biel-2024
https://forum.runningcoach.me/forums/rc_forum/topics/laufbericht-100-km-biel#post-8085
In Lyss traf ich kurz Martin, der für Karin einsprang und von dieser mit der Staffel in Kontakt gebracht wurde. Und ab hier stiess Matthias, mein Velocoach dazu. Nun aber schiffte es auch ganz übel. Die Auswirkungen sah man ein paar Kilometer weiter, wo die ersten schlammigen und rutschigen Passagen rund um die Pfützen führten.
Rund bei km 32 überholte mich Martin. Am Verpflegungsposten traf ich ihn und Karin wieder – ganz begeistert von dem Nachtlauf. Trotz mistigem Wetter.
Für uns ging es mal feucht, mal kurz trocken und gelegentlich sogar mit Blitz und Donner weiter durch die Nacht. Matthias war ein aufmerksamer und hilfreicher Begleiter, der damit umgehen konnte, dass ich als Läufer nicht unbedingt Luft (und Lust) auf lange Gespräche hatte.
Bis Kirchberg lief es recht ordentlich. Ich schickte meinen Velobegleiter voraus zum Posten, damit er sich dort etwas aufwärmen konnte. Ich lief längst auch mit Stirnband und Kapuze, auch kenn es gerade mal nicht schiffte. Zwar hatte mein Velobegleiter noch Ersatz-T-Shirt und eine weitere Jacke dabei aber ich wollte mir die «für den Notfall» aufheben, falls ich noch kälter hätte.
Leider wollte man uns in Kirchberg nicht ins warme Gebäude lassen und so liess ich die geplante 15-minütige Pause sausen, verpflegte mich im kühlen Wind und lief weiter. Ob es daran lag, dass der Emmendamm das Ende meiner Energie sah? Oder war es die Kälte, der Regen, der Schlamm und die vielen Pfützen, denen man ausweichen musste? Einmal rutsche ich aus, kann mich aber akrobatisch retten, so dass nur meine Hände Dreck landen. Spätestens bei km 60 begann mich mein rechter Knöchel zu plagen, erinnerte mich an meine Premiere. Und so musste ich ab km 70 einsehen, dass Laufen nicht mehr ging. Schade, ich war eigentlich recht gut unterwegs. Daher kämpfte ich die nächsten 8 km damit, ob ich bei km 78 austeigen sollte oder nicht. Vielleicht waren es die beiden Kinder, welche morgens um 7 mit Schokokeksen am Strassenrand standen und uns traurige Gestalten anfeuerten? Die Helfer und Fans entlang der Strecke tun einem so gut. Danke euch allen, auch wenn ich mich wundere, wie man mich in der Phase mit «du gsehsch super us!» anfeuern kann. Kalt, nass leer, dreckig.
Es waren wohl meine Staffel-KollegInnen und Matthias, die dazu führten, dass ich die nächsten 5 Stunden wanderte, um doch noch zu finishen. Sie wollte ich nicht enttäuschen. Ja und ein wenig Stolz und Selbstachtung hat man ja dann doch auch. Mit schmerzendem Knöchel, wegen nassen Füssen und Socken voller Dreck dann bald auch mit einer Blase an der Fusssohle ging es weiter.
Bei km 85 kam dann die Sonne hervor, ich gönnte mir das frische T-Shirt, meine Stimmung hob sich mit jedem Kilometer – wobei es dann natürlich in der letzten halben Stunde vor dem Ziel wieder regnete…
Endlich näherten sich die Tafeln der 100 an und dann setzte ich mich in Gang – vergass Blase und Knöchel, die letzten paar Meter, rein in den Zielbogen.
Meine Euphorie hielt sich in Grenzen, ich hatte 3/4 Stunden mehr gebraucht als ich geplant hatte, 5/4 Stunden über meiner Bestzeit. Mit etwas Abstand, geduscht und ausgeschlafen würde ich sagen: Es war hart aber immerhin durchgebissen.
Hansruedi