Hansruedi Nyffenegger
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Post #357 of 399

Grüss dich

Da ich nun mal gerne schreibe - und gerne übers Laufen - ist es für mich immer eine spannende Herausforderung, Foren - Beiträge zu beantworten. Besonders, wenn es wie in deinem Fall auch mal Rückmeldungen gibt, dann merkt man, ob seine Vermutung mehr oder weniger zutrifft. In dem Sinn: gerne und jederzeit. Für die jenigen, die finden, ich schreibe zu viel... man darf auch schreiben, wenn man mich nicht lesen will... ;-) 

Ein Sporttest ist gerade für LäuferInnen mit einiger Erfahrung wirklich erhellend, besonders wenn man sich die Zeit nimmt, mit dir die Ergebnisse zu interpretieren und mit dem Plan abzugleichen.

Ja Tagesform ist teilweise wirklich stark limitierend. Das muss man auch akzeptieren, was dann aber bei einem Einbruch bei einem Wettkampf halt ein Dämpfer ist.

Zentral wird für dich sein, herauszufinden, was deine aeerobe / anaerobe Schwelle ist. Denn man läuft einen Marathon unter diesem Bereich. Eine Defintion davon ist ja "die Leistung, die man 30 bis 90 Minuten halten kann". Ist die bei z.B. 11 km/h dann wird man den Marathon in ca 4 Stunden finishen können - wenn es gut läuft. 

Die ANS kann man einerseits berechnen vie HFmax, via Laktattest (wobei es verschiedene Modelle und Testverfahren gibt) oder man kann sie mit Dauerläufen feststellen - also z.B. mit einem 60 bis 90-minütigen Wettkampf. Und natürlich kann man auch interpolieren - aus einem 10 km Dauerlauf mit HF 140 und einem Mitteltempolauf von 160 lässt sich abschätzen, wo die Grenze etwa liegen könnte. Viele Uhren und RC berechnen das, nicht zuletzt auch, weil so die Trainingssteuerung funktioniert. Das, vermute ich, hat Garmin oder RC mal gemacht. Ich vermute bei den Einstellungen unter Punkt 3 ist die Schwelle aufgetaucht. Dort kannst du auch den Trainingslauf eintragen - Zeit und Distanz. Persönlich merke ich auch den Unterschied ob ich gemütlich oder eher etwas hart (aerob / anaerob) unterwegs bin. 

Du ahnst es: diese verschiedenen Möglichkeiten und Modelle ergeben ( x  Tagesbedingunen x Strecke x persönlicher Tagesform ) keine klare Grenze. Zudem ist es ja auch so, dass nicht jeder Mensch bei genau gleich viel Laktat genau gleich reagier. 

Mal aus eigener Warte (wobei die Daten vor-Corona sind, seither hatte ich keine so klar vergleichbaren Tests).

Meine HF max wurde im Test mit 182 bestimmt. Am Hügel habe ich ein paar Wochen vorher 180 erreicht. Du kannst auch in der Ebene laufen, 1 x 30 Sekunden immer schneller das letzte Intervall ohne Pause und Vollgas, allenfalls auch länger als das Intervall wäre, bis die Puste komplett ausgeht und du noch minutenlang am Pumpen bist..

Die Schwelle liegt bei 85% der HFmax. berechnet in meinem Fall bei 155. Meine HF im Marathon 2019 war 157.

Wenn ich laufe wechselt meine Uhr die Anzeige von Grün auf Gelb bei 147. Das ist - bei normal langen Läufen bei ca. Pace 6:00 /min. Mit anderen Worten: dieses Tempo ist noch klar im aeroben Bereich. Da kann ich auch noch schwatzen dazu. Beschleunige ich, wird es ca. 5:40 anstrengend, reden geht nur noch Satzweise. Der Puls geht dort in der Regel dann über die ANS bei HF 156 raus. 42,5 km x 5:40 Min ergibt eine Marathonzeit von ca. 4 Stunden.  

Im Laktattest wurde die Schwelle (auf 11,3 km/h bestimmt. Das ergäbe rechnerisch auf einen Marathon 3 h 45'. Da man aber in der Regel ein wenig weiter läuft sagen wir eher 3 h 50'. Du läufst aber UNTER der Schwelle, also eher 11 km/h, und damit war klar, dass Sub 4 h kanpp möglich sein könnte. Ich habe mit 3 h 59' irgendwas das Ziel erreicht.

3 Wochen vor Berlin habe ich einen HM gemacht. 1:53, 3 oder 4 Minuten schneller wäre problemlos möglich gewesen. Da das aber mein Heimrennen ist, mit extra Motivation bei besten Bedingungen, habe ich das nicht mit der üblichem Faktor von 2.1 umgerechnet. Sonst hätte ich 3:45 versuchen müssen.

RC, Polar und Strava machen mir jeweils noch klar optimistischere Prognosen. Nach ein paar Jahren Lauferfahrung kann ich das aber einordnen. 

Du siehst, die vielen Daten können entweder alle etwas ähnliches sagen oder sich auch widersprechen. Und Pace und HF passen ja auch nicht immer zueinander... Sorry...
Zentral dürfte sein, dass du herausfindest, was UNTER der ANS in deinem Fall bedeutet. So kannst du loslaufen und dann mal gucken, was geht. Vielleicht triffst du genau die perfekte Pace und sonst halt nächstes Mal... :-)  

Liebe Grüsse

Hansru-edi 

PS: Zu deinen Zeiten: dass die nächste Vorgabe schneller wurde, obwohl du die letzte Vorgabe nicht eingehalten hast, kann mit Zwischenresultaten etc. zu tun haben. Du bist aber frei, die Schwelle oder den Testlauf in Punkt 3 zu senken (resp. den Testlauf um 2 Minuten länger einzutragen).Das macht Sinn, wenn man z.B. aufgrund von einem Super-HM-Lauf gegen den Kollegen bei besten Bedingungen eine neue PB raushaut. Dann läuft man kaum 3 Wochen später eine neue PB über Marathon...  
Mit einer Vorgabe starten, die man weiss, dass man sie nicht einhalten kann macht keinen Sinn - dafür ist Marathon meiner Meinung nach zu sehr Psychologie...

   

Laura-Antonia P.
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Post #32 of 32

Nachtrag: 

Eine Erklärung für die Marathonpace habe ich gerade gefunden. Aus irgendeinem Grund war in meinen Profileinstellungen eine Anaerobe Schwelle hinterlegt... ich habe absolut keine Ahnung, warum (überträgt die Garmin so etwas automatisch?!). Nachdem ich als Orientierungspunkt für die momentane Leistung nun meinen letzten Mitteltempo-Lauf angegeben habe, änderte sich die Marathon-Pace (und alle Trainings, die davor noch stattfinden) erheblich. Was wiederum bedeutet, dass ich die Läufe nun allesamt langsamer laufe, als die letzten Wochen... was ja irgendwie auch nicht Sinn und Zweck der Sache ist? 

Ich bin verwirrt. 

Laura-Antonia P.
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Post #31 of 32

Lieber Hans-Rüdi, 

Erst ein Mal, wie schon so oft: Vielen Dank für dein extrem hilfreiches Feedback! Ich hoffe, du bekommst bei RC inzwischen einen Rabatt oder ähnliches für deine vielen unterstützenden Beiträge... verdient hättest du ihn auf jeden Fall :) 

Ich habe mir einige deiner Ideen vorgenommen und bin so folgenden Erkentnissen gelangt: 

  • Laktattest: Schiebe ich auf die nächste Vorbereitungsphase (ich werde dann glaube ich mal einen umfassenderen Leistungstest in der Sportmedizin hier in Berlin machen)
  • 10km Marathontempo Berlin: ist kein Problem gewesen, auch 15 und 19km waren gut machbar, auch in noch schnellerem Tempo (Mitteltempo) 
  • Übergang gemütlich zu anstrengend: habe ich leider nicht herausgefunden. Ganz offensichtlich geworden ist bei den Versuchen aber, dass das extrem (!) Tagesformabhängig ist (und da schätzungsweise viele Faktoren ins Spiel kommen, die sich nicht wirklich verändern lassen)
  • HFmax mit Hügellauf: mehrmals gemacht, ich misstraue den Daten aber irgendwie. Ich habe das Gefühl, dass nicht meine HF, sondern die Beine der limitierende Faktor sind. Die geben früher auf (= werden schwach), als dass die HF einen Wert erreicht, ab dem ich nicht weiter machen könnte. Auch das werde ich mir bei dem Leistungstest aber noch mal genauer ankucken
  • Langsamer laufen: Meine Longjogs laufe ich eigentlich alle so, ohne dass ich es planen würde. Ich fange eher langsam an und werde dann zum Ende hin schneller (innerhalb des vorgeschlagenen Pace-Fensters) 

Ich habe mir meine HF vom Berlin Marathon und meine HF vom letzten 24km Longjog noch mal angesehen und verglichen. Bei fast dem selben Tempo lag meine HF beim Marathon deutlich höher - ich denke, das könnte tatsächlich der springende Punkt sein, genau wie du vermutet hast. Meine Idee wäre deswegen, den nächsten Marathon noch mal im nicht-nüchternen Zustand, dafür aber vor allem zu Beginn mit deutlich stärkerem Fokus auf die HF statt auf die Pace zu versuchen. Mal schauen, wie das wird. 

Eine Sache bereitet mir aber noch etwas Sorgen: Wie schon wärend der letzten Marathonvorbereitung (und der Vorbereitung auf den Marathon davor, der dann wegen Corona nicht statt fand) kommt mir die vorgeschlagene Marathonpace einfach zu schnell vor. Zum Vergleich: Momentan laufe ich Miteltempo-Strecken mit 05:46-05:56, Dauerläufe mit 06:19-06:29, Intervalle mit 04:51-05:01 und die LongJogs mit 06:27-06:37. Die vorgeschlagene Marathonpace ist 06:01. Irgendwie kommt es mir (momentan) ziemlich utopisch vor, das über 4 Stunden durchzuhalten. Die vorgeschlagene Pace beim letzten Marathon waren 06:11-06:21, geschafft habe ich 06:34. 

Hm. 

Hansruedi Nyffenegger
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Post #354 of 399

Grüss dich

Ich habe nur beschränkte Erfahrung mit Intervalfasten, laufe aber viele meiner LJ bis 3 Stunden nüchtern, jedenfalls wenn es in meinen allgemeinen Tagesablauf passt. Laufe ich den LJ erst am Nachmittag, dann esse ich normal Frühstück. Mit langen Nüchternläufen versuche ich meine Fettverbrennung zu steigern. Ich kann also nicht unbedingt für's Fasten aber für's nüchtern Laufen reden.

Meine Vermutung geht aber eh in Richtung Laktatschwelle. Es ist ein ziemlicher Unterschied, ob du im Wettkampf "alles" gibst oder ob du am Sonntagmorgen longjogst. In meinem Fall: 3 Stunden LJ durchschnittliche HF bei ca.140, und damit ca. 75% meiner HFmax. Ich laufe also im Bereich der Grundlagenausdauer = GA1. Im Wettkampf mit persönlicher Bestleistung: Schnitt 156 (am Schluss eher 165) und damit 85% (bis 90%), nach Definition GA2. 

Wenn du bislang noch nie Probleme hattest in dieser Hinsicht, könnte das daran liegen, dass man doch eher selten wirklich harte Einheiten auf dem Plan hat, dass man in der Regel bei Mitteltempo Pausen hat um das Laktat abzubauen, dass man die harte Phase meist unter 60' liegt und der Körper damit meist noch genügend Glykogen hat. Diese Reserven halten in der Regel etwa 1 bis 1 1/2 Stunden - je nach Belastungsintensität. Bei einem sehr schnellen Marathon wohl eher kürzer als länger. 

Irgendwo zwischen 75% und 90% geht es über die anaerobe Schwelle. Oder anders formuliert: den Longjog bestreitest du aus der Fettverbrennung, ohne dass der Körper gross auf Kohlenhydrate zurückgreifen muss und ohne Sauerstoffschuld. Darum kommt es einem auch so locker vor. Im Marathon könntest du früh über die Anaeroben Schwelle geraten sein. Man läuft übermotivert - und zu schnell - los. Dann wird es hart und das kann bis zum Erbrechen führen.
In meinem Fall ist der Unterschied von der Wettkampf-Geschwindigkeit zur Anaeroben Schwelle nur gerade 9 Schläge pro Minute, wenn ich HF 165 längere Zeit laufe, kommt die Mauer. In Berlin bin ich 10.8 km/h gelaufen, die errechnete Geschwindigkeit der Anaeroben Schwelle war: 11,2 km/h. Du siehst: 400m mehr oder weniger pro Stunde ist der Unterschied zwischen PB und Erbrechen.

Ich persönlich laufe zwar die Mehrheit meiner LJ nüchtern, aber die letzten 4 Wochen versuche ich bewusst die Ernährung zu üben: Perridge zum Frühstück, 2 Stunden später losrennen, mit Isogetränk und Riegeln herumexperimentieren. Letzlich hat zwar jeder Mensch genug Fett um etliche Marathon zu laufen, aber damit der Körper das Fett "verbrennen" kann, braucht er immer auch Kohlnhydrate. Je mehr Energie er braucht (= je schneller du läufst) desto mehr Kohlenhydrate. Sofern du eine bessere Zeit willst als letztes Mal, dann würde ich bewusst verpflegen.

Ich könnte mir vorstellen, dass du nun folgende Ideen verfolgen könntest:

  • Laktattest durchführen und so erfahren, was deine bestmögliche Marathongeschwindigkeit sein könnte.
  • Lauf mal 10 km einen Lauf im Marathontempo von Berlin und schau, ob du die Mauer erwischst. So merkst du ev, ob es die Aufregung war, das ungewohnte/das falsche Frühstück oder ob das Tempo schlicht zu schnell war.
  • Versuche herauszufinden, bei welcher HF und welchem Tempo für dich der Übergang von gemütlich zu anstrengend ist. Dein Marathontempo sollte die ersten Stunden nicht anstrenged sein.
  • Bestimme mit einem harten Hügellauf - bis zum Geht-nicht-mehr - deine HF und laufe mit rund 80% davon den Marathon. DIe ersten km lieber mit 75%, die letzte Stunde steigt die HF so oder so an.
  • Starte deutlich langsamer in den nächsten Lauf und schau, ob du nach und nach noch leicht steigern kannst.
  • Trainiere bewusst die Ernährung.

Wünsche viel Spass - lass knacken!

HR

 

Laura-Antonia P.
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Post #30 of 32

Hallo Zusammen. 

Ich bin im September meinen ersten (offiziellen) Marathon gelaufen. Anders als all die Trainings, die ich wirklich in vollen Zügen genossen, immer gerne und (bis auf eine kleine Entzündung einige Wochen vor dem Wettkampf) ohne größere Probleme absolviert habe, war dieser Marathon für mich eine echte Herausforderung. Nicht wegen der absoluten Distanz, die kannte ich. Viel mehr, weil sich diese berüchtigte Mauer schon nach den ersten 5-10km aufgebaut hat und bis zum Zieleinlauf nicht verschwunden ist. Das ist mir in keinem meiner Läufe (in über 10 Jahren Training) jemals begegnet und ich glaube, zu wissen, woran es lag: an meinem Verzicht auf den üblichen Fastenzustand, in dem ich sonst trainiere. 

Ich intervallfaste seit mittlerweile 5 Jahren und absolviere meine Trainings ausschließlich im nüchternen Zustand. Morgens, also ca. 12-15 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme. Das funktioniert wunderbar und ich hatte damit nie Probleme. Ich habe damals im Sommer mit dem Gedanken gespielt, den Marathon komplett nüchtern zu laufen, mich letzten Endes aber einfach nicht getraut. Überall liest man, wie wichtig ein gutes Frühstück und eine gut durchdachte Verpflegung während des Laufes ist und der Respekt vor all diesem geballten Erfahrungswissen war letzten Endes größer als der Mut, meinem eigenen Körper zu vertrauen. 

Mein nächster Marathin steht in 2 Monaten an und ich denke, ich werde einen nüchternen Lauf versuchen. Hier im Forum gibt es zwei interessante Diskussionen zu dem Thema Training und Intervallfasten, allerdings sind die schon einige Jahre alt. Ich würde mich über Erfahrungsberichte freuen, falls jemand ebenfalls nüchtern trainiert oder sogar schon Wettkämpfe absolviert hat. Wie ging es euch damit? 

Liebe Grüße