Total Running | 21'433 km |
Member since | almost 9 years |
Post #392 of 437 |
Total Running | 21'433 km |
Member since | almost 9 years |
Post #390 of 437 |
Total Running | 14'661 km |
Member since | over 6 years |
Post #46 of 55 |
Total Running | 21'433 km |
Member since | almost 9 years |
Post #389 of 437 |
Laufbericht Verona Marathon 19.11.2023
Nach einer unfreiwilligen Laufpause im Sommer, nach einem Wiederaufbau mit Halbmarathon und Backyard Ultra wollte ich mir noch einen letzten langen Lauf im Herbst gönnen.
Ich hatte verschiedene andere Läufe ins Auge gefasst, am Schluss blieb ich aber an Verona hängen. Zeitlich war es ein Wochenende, das mir passte, die Anreise bequem im Zug, und – im Gegensatz zu andern Läufen - nicht ausverkauft.
Die Anreise verlief ohne nennenswerte Ereignisse. Ich quartierte mich im Hotel ein und startete zu meinem üblichen 20 minütigen Regenerationslauf vor dem Rennen. 8 Minuten gemütlich 4’ zügig, 2’ HM-Tempo, 1’ ganz schnell, kurzer Spurt bei immer noch kontrollierter Lauftechnik… Danach auslaufen und 2 oder 3 Steigerungsläufe. Alles fühlte sich hervorragend an. Ich beschloss meinem Plan zu folgen und auf 4:10 zu laufen. Vielleicht im 2. Teil etwas nachgeben, 4:15 wäre auch OK.
Nach einer Dusche schnappe ich mir ein Fahrrad vom örtlichen Verleih und radle zum Stadion hinaus. Sowohl die Abholung der Startnummer, die Messe mit den üblichen Produkten und dann am nächsten Tag auch der Start sind rund 3 km ausserhalb des Zentrums und der bekannten Altstadt. Das Ziel hingegen liegt an der Arena.
Das mag hinsichtlich Parkplätzen und Ausstellungsraum Sinn machen, andererseits heisst das auch den Weg hin und zurück zu machen.
Die Abholung der Nummer geht ruck zuck, die Ausstellung ist überschaubar und bald suche ich mir wieder ein Leihrad und zurück geht es in die Altstadt. Unterwegs kaufe ich noch ein zwei riesige Salami, schliesslich habe ich hungrige Arbeitskollegen, aber das ist eine andere Geschichte...
Am nächsten Tag nutze ich den Shuttle, der vom Ziel an den Start fährt. Das geht zügig und ich bin froh, dass ich nicht mit dem Rad fahren muss – ich finde es ziemlich kalt. Entsprechend bin ich relativ warm angezogen. Wie immer hadere ich mit der Ausrüstung: lang oder kurz, Pullover, Jacke oder/ und…? Stirnband oder Mütze? Handschuhe?
Vor dem Start bin ich froh, dass ich mich für die warme Variante entschieden habe. Und als ich wenige Momente vor dem Start den alten Pullover verabschiede, merke ich, dass Mitte November auch in Norditalien kalte Morgen bedeutet.
Am Start heizt ein DJ die Menge an. Ich verbringe wie immer meine Zeit mit Anstehen vor den Toiletten, zum Glück drinnen in der Ausstellung, wo es nicht ganz so kalt ist. Es hat massiv zu wenige Toiletten für die rund 2200 Marathonis und rund 6000 Halbmarathonis.
Dutzende erleichtern sich gegen die Parkplatzmauern. Nicht schön, aber das scheint in das OK nicht zu stören. Auch sonst sollte es auf der ganzen Strecke nur rund ein halbes Dutzend Toitois haben.
Die ersten Sonnenstrahlen erreichen das Startgelände und um 8:15 Uhr geht es los. Ich finde sofort meinen Rhythmus – um wenige Augenblicke um ein Haar über eine Lady zu stolpern, welche mitten im Gewühl am Boden kniet und die Schuhe bindet. Ich kann knapp ausweichen, versuche zu warnen, Hinter mir höre ich Lärm – offenbar hat jemand nicht mehr ausweichen können.
Die Strecke führt in einer 5 km Runde ans Ufer des Etsch. Dieser wird bei einem Stauwehr überquert, dann läuft man ein paar Kilometer dem Ufer entlang, scharfe Wende und dann direkt wieder zurück. Ich persönlich mag darartige Wenden um einen Pfosten gar nicht.
Der Vorteil ist, dass man aber die schnelleren und die langsameren Läufer zu sehen bekommt. Ich bewege mich etwa in der Mitte. Wobei ich das nicht ganz genau weiss, meine Uhr hat Mühe mit der Anzeige. Ich ahne, dass ich etwas schneller bin, als die angepeilten 5:50. Trotzdem habe ich nicht den Eindruck, dass ich zu schnell bin, Puls ist tief, Atmung und Anstrengung genau richtig. Alles im grünen Bereich. Ausser vielleicht mein rechtes Bein, welches nicht ganz so locker ist, wie es sein sollte. Aber das gibt sich mit der Zeit.
Nach und nach erleichtere ich das Tenue. Handschuhe in die Tasche, Jacke etwas öffnen, später dann die Ärmel hochschieben. Die Mütze bleibt bis km 15 an. Und später das ganze wieder retour. Am Schatten und wo es nicht windgeschützt ist, sind die Temperaturen auch am Mittag frisch.
Verpflegungsposten gibt es auch. Allerdings etwas in unterschiedlichen Abständen, mit anfangs nichts ausser Wasser, dann kommt Isogetränk dazu, Bei km 17 dann endlich auch etwas festere Nahrung, einige Bananenstücke und Weinbeeren. Insgesamt sehr überschaubar. Jetzt weiss ich auch, wieso derartig viele mit Eigenverpflegung laufen.
Wir erreichen wieder die Altstadt von Verona. Hier ist es wirklich schön zu laufen, wenn auch alle paar Meter wieder eine Kurve ansteht. Endlich auch ein paar Zuschauer.
Dann teilt sich das Feld. Die Halbmarathonis laufen den letzten Kilometer ins Ziel. Ich fühle mich gut und laufe links. 22 km noch. OK, alles klar. Die Halbmarathon-Distanz geht in etwas mehr als 2 Stunden vorüber, wie geplant. Ich verliere immer in der zweiten Hälfte etwas Geschwindigkeit.
Nach rund 2 Kilometern nehme ich eine kleine Steigung im Gehen und benutze das, um gut zu trinken. Dann wieder loslaufen. Auf der Gegenseite läuft uns die Spitze entgegen. Der Führende, später auch die erste Frau. Hier merke ich, dass mit meiner Energie etwas nicht stimmt. Ich bin schon nach 25 km recht müde, habe innert wenigen Kilometern viel Energie verloren. Ich bin froh, als ein Verpflegungsposten kommt, wo man kurz gehen kann. Ein paar Stücke Bananen. Doch wenig später ist die Energie weg. Ich muss etwas gehen. Dann wieder anlaufen. Anfangs schaffe ich noch ein paar Minuten laufend. Dann nicht mal mehr so viel. Der Plan von 4:10 ist endgültig nicht mehr zu machen. Bei km 30 ertappe ich mich beim Gedanken einfach nur noch zu gehen. 12 km wären gut 2 Stunden zu gehen. 5 Stunden oder so… Mental baue ich in dieser Phase komplett ab. Letzter Marathon, schwöre ich mir. Du wirst einfach zu alt für so eine Sch... für so eine Strecke.
Nicht so motivierend ist in dieser Phase die Steckenführung. Irgendwo im Nirgendwo. Kaum Zuschauer. Und auch keine Verpflegungsposten. Ich bin unglaublich froh, dass ich meine eigene Trinkflasche mitgenommen habe und etliche Riegel. Andere haben weniger Glück. Überall liegen leere San Benedetto-Flaschen. Ich laufe mit den letzten Tropfen in meinem Bidon in die Kaserne ein. Das ist etwas Neues: der Lauf führt durch eine grosse Kaserne. Hier stehen alle rund 20 Meter links und rechts Soldatinnen und Soldaten Spalier. Stumm, in der Rührt-euch-Stellung. Sehr eindrücklich, ehrlich gesagt.
Ich stürze mich auf die Verpflegung, besonders auf die Flüssigkeit. 5 dl Wasser und Iso in die Flasche, zusätzlich auch noch trinken. Dann weiter im Zickzack durch die Kaserne, am Schluss wird man vom wachhabenden Offizier salutiert. Wow!
Vor der Kaserne ist man wieder im Gegenverkehr, hier begegne ich den letzten Marathonis, welche kurz vor dem Besenwagen laufen. Autsch, die haben noch etliche Kilometer mehr vor sich. Also, komm schon. Das ist dein letzter Lauf. Du wolltest wissen, was du kannst. Du kannst es nicht mehr. Mach das Dutzend voll und konzentriere dich danach auf Halbmarathon. Ja, das ist nicht unbedingt das ideale Mindset. Aber es zeigt, dass ich die Schnauze gestrichen voll habe.
Langsam geht es Richtung Stadt. Noch einmal ein sinnloser U-Turn. 500 m reinlaufen, 500 m rauslaufen. Dann endlich in die Vororte, endlich-endlich über den Etsch. Quer durch die Gässchen und dann endlich-endlich-endlich geht es zur Arena. Ich bin KO. Kann nicht glauben, dass ich schon mal weiter gelaufen bin als 42km. Der Zieleinlauf ist ein grün-weiss-roter Teppich. Ich habe ihn für mich alleine.
Ich schaffe doch noch ein paar nette Posen für’s Fotoalbum. Den Schritt über die Zielline fotografiere ich. Mein letzter Schritt im letzten Marathon.
Medaille umhängen. Ein komplett übertriebener Verpflegungssack (u.a. 3 x ¼ l Birnensaft…, 3 Pet-Flaschen mit Getränken, etc.) Dann geht es zurück zum Hotel. Die 500 m kommen mir recht locker vor.
4:38:04 statt 4:10. Da habe ich einen ganz schlechten Lauf eingezogen. Weniger die eigentliche Zeit, als der Unterschied zwischen der Erwartung und dem Resultat.
Nach Duschen und Dehnen gönne ich mir eine Pizza und ein Nickerchen. Verbringe im Hotel eine Stunde im Sprudelbad, abends geniesse ich ein leckeres Nachtessen. Ich feiere das Ende meiner Marathonkarriere alleine. Ins Hotel laufe ich schon beschwingt zurück und am Dienstag laufe ich ein paar Kilometer. Es tut nichts mehr weh.
Auch eine Woche nach dem Lauf habe ich keine wirkliche Erklärung, warum es überhaupt nicht gelaufen ist. Ich konnte die Trainings alle nach Vorgabe umsetzen, oft gar locker übertreffen. Das Ziel von 4:10 oder 4:15 wäre eigentlich realistisch gewesen. Es waren ideale Temperaturen, kaum Höhenmeter, die Verpflegung, das Tapering und die Motivation waren allesamt OK. Ich hatte schon viel schlechtere Voraussetzungen und deutlich bessere Resultate. Es mag zwei winzige Details geben, die suboptimal waren. Im ersten Teil war ich in 15'' / km schneller als geplant, da ich vor allem nach Gefühl lief. Aber das entspricht einem Marathontempo, das ich eigentlich schon mehrfach gelaufen bin. Da sollte mich nicht schon nach 27 km den Hammermann treffen. Das zweite ist die Verpflegung, die ich als etwas zu knapp einstufen würde.
Und ehm… nun ja,… ich habe überlegt, dass ich eigentlich das Ende meiner Marathonkarriere nicht alleine feiern möchte. Also, deswegen… vielleicht…? Da wäre noch Rom…? Und in Berlin bin ich auch in der Verlosung. Und ja, ich weiss: in Biel möchte ich noch mal finishen… Mal schauen…
Hansruedi