Hansruedi Nyffenegger
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Post #179 of 437

Hoi Sönke

Danke für die Blumen. Ich bin je länger je mehr überzeugt, ohne Lockerheit geht (bei mir) wenig. Ich hab nicht mal gross auf's Essen geschaut im Vorfeld...

Also Am Sonntag habe ich den regenerativen Lauf ausgelassen. Keine Lust, keine Zeit aber auch noch zu viel Wehwechen... War statt dessen 2 Stunden spazieren, das tat gut. War dafür heute 30' laufen. Die ersten 5' bis 10' waren übel, wurde aber mit jedem Kilometer besser. Aktuell tut eigentlich nichts mehr weh, bin aber gespannt, wenn ich morgen 50' Dauerlauf versuche, was meine Knie und die paar zwickenden Muskeln dazu meinen.

Keep on running

HR

 

 

Sönke Butz
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Post #11 of 12

Servus Hansruedi,

danke für Deinen tollen Laufbericht!  Und herzlichen Glückwunsch zum ersten Ultra! 

 Klasse, mit welcher Einstellung und Lockerheit du in das Rennen gestartet bist.  Gut durchkommen und Spaß haben. Das ist doch irgendwie das wichtigste.  Bin gespannt, ob du tatsächlich nach zwei Tagen wieder normal trainieren kannst. 

Run on,

Sönke

Angela Heller
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Post #8 of 11

Lieber Hansruedi

Vielen Dank für den Laufbericht und das Teilen deiner Erfahrungen zum 50 Km-Ultramarathon. Es freut mich sehr, dass du den Lauf geniessen konntest und du Spass hattest. Mir ging es mit meinem Züri-Marathon vom 28.04. genau wie dir. Mein erster Marathon nach 25 Jahren, somit wie mein Erster M. Ich nahm mir genau das vor was du in deinem Bericht beschreiben hast. Mir war es wichtig a) nicht völlig am Ende ins Ziel einlaufen, b) zu finishen und c) während des gesamten Laufs Spass zu haben. Ich habe alle meine Ziele mehr als erreicht und den Marathon werde ich noch lange wenn nicht für immer als wunderschöne Erinnerung behalten. Das wünsche ich auch dir für deinen ersten Ultra den du gefinisht hast.

 

Keep on running!

Hansruedi Nyffenegger
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Post #178 of 437

Als ich in Biel aus dem Bahnhof komme schiesst mir der Spruch von Emil Zatopek durch den Kopf: «Jungs, heute werden wir ein klein wenig sterben!»

Ganz ungünstiger Moment für schlechte Gedanken. Aber ich habe weiche Knie und fühle mich plötzlich ganz und gar nicht mehr gut. Was nicht so erstaunlich ist: heute will ich meinen ersten Ultramarathon mit 50 km angehen. Und dies eigentlich aus dem «normalen» Marathontraining heraus, also ohne grosses Tapering oder ohne speziell auf 50 km zu trainieren.

OK, ich habe in den letzten Monaten teils ein paar Läufe mehr gemacht, den einen oder andern Lauf verlängert, um Ostern herum sogar in einer Woche 100 km erreicht. Aber keinen einzigen Longjog über 3 Stunden hinaus verlängert. Und es ist auch nicht so, dass ich in meinem Läuferleben extrem viele Marathons gelaufen wäre.

Aber ich habe kürzlich im Buch von Michele Ufer einen schönen Satz gelesen: «Laufen ist zu 90% Kopfsache. Der Rest ist mental». Und so habe ich in den letzten Wochen auch den Kopf trainiert. Ich habe mir die Strecke immer wieder vor Augen geführt. Das ist insofern einfach, als dass ich die Gegend rund um den Bielersee aus meiner Jugend sehr gut kenne. Werde mich auf bestimmte Orte, freuen, die ich von früher her kenne. Ich habe mir Strategien zurechtgelegt, wie ich mit Krisen umgehen werde. Habe mir Lieder, Bilder und kurze Sätze abgespeichert, die mich in unterschiedlichen Situationen unterstützen sollen. Das Wort NICHT aus meinen Gedanken streichen. Nur positive Gedanken zulassen. Dankbarkeit empfinden für das Privileg heute laufen zu dürfen. Dazu gehört auch eine klare Strategie: einen Marathon gemütlich laufen und dann 8 km abwechselnd laufen und gehen.

Da kommt der Zatopek zu einem ganz schlechten Moment. Der Wanderwegweiser beim Bahnhof nennt 9 Stunden 40 Minuten um rund um den See zu wandern. Und da ist der Abstecher auf die St. Petersinsel noch nicht dabei. «Gut muss ich nicht wandern», denke ich.

Der Weg vom Bahnhof zum Start dauert kaum 5 Minuten, die Garderobe ist noch mal ein paar Schritt weiter im Strandband Biel/Nidau. An einem kühlen, grauen, stürmischen Morgen stehen da nur ein paar zäh aussehende Leute mit Laufschuhen und Trinkrucksäcken rum.   

Aber über dem Bielersee steht ein Regenbogen. Das gibt mir plötzlich eine innere Ruhe. Egal was kommt: heute ist ein guter Tag.

In der zugigen Beton-Garderobe gibt es abschliessbare Fächer und ein paar Toiletten. Für die paar Startenden reicht es – eine neue Erfahrung, dass man nicht anstehen muss. Wie viele Läufer genau gestartet sind, weiss ich nicht, aber im Klassement sind am Schluss in allen Kategorien zusammen unter 120 Personen verzeichnet, knapp 30 davon laufen den Halbmarathon. Dann gibt es zwei Männer, welche 200 km laufen, 2 Frauen und 3 Männer machen 100 Meilen und einer fährt 100 Meilen auf dem Einrad. (sic!)

Das ist für mich die Stärke der Bielersee Ultra- Läufe. Hier kann jeder so viel machen wie er/sie will, das OK zeigt sich da sehr flexibel. Dass der Lauf dabei aber praktisch ohne Zuschauer stattfindet ist bei einem derartigen Anlass normal.

Bleiben also rund 90 Leute für den 50 km Lauf. Kurz bevor es losgeht läuft einer der 200 km Läufer vorbei und startet seine letzte Runde. Und kann noch Witze machen! Himmel, wie werde ich aussehen, wenn ich wieder hier bin?

Dann gibt es ein paar Infos zur Strecke, Markierung und Sicherheit, dann wird ohne viel Aufhebens zum Start geblasen und es geht los. Ich bin so verblüfft, dass ich vergesse, meine Laufuhr zu starten, das hole ich aber bald nach.

Die Strecke ist mit gelben Pfeilen am Boden markiert, in der Regel sehr gut zu finden, nur hin und wieder hat der Regen die Farbe etwas weggewaschen, aber ich bin auf dem ganzen Lauf nie in Zweifel, wo es weitergeht.

Anfangs läuft man natürlich andern Laufenden nach, aber schon nach ein paar Kilometern verliert man die andern aus den Augen und ist allein. Die Route erreicht bald den Uferweg südlich des Bielersees und folgt diesem bis Erlach. Kies und Asphalt halten sich etwa die Waage. Nach rund 5 km hat der stürmische Wind den See auf den Uferweg austreten lassen. Da hilft nur ein beherztes durchrennen. Na, die Socken können noch lange trocknen. Und wenn ich den Himmel betrachte, rechne ich eigentlich mit Regen.

Bald kommen einem schon wieder die Halbmarathonis entgegen. Beim Wendepunkt vom HM folgt dann der erste Verpflegungsposten. Bananen, Schokolade, Gels, Wasser, Isgetränk, Chips und Salzstangen. Fehlt nur noch der Weisswein…

Von hier weg laufe ich mit einem Amerikaner, Zach. Er ist amerikanischer Soldat. Hat nach ein paar Halbmarathons mit Vollpackung ohne grosse weitere Vorbereitung im Winter seinen ersten Marathon gelaufen. Und jetzt – mit etwas mehr Training – seine Ultra-Premiere.

Die nächsten rund 20 km laufen wir gemeinsam. Schwatzen über dieses und jenes. Immer wieder muss ich mich aber bremsen. Zu zweit tendiert man schneller zu werden.

In Erlach, bei km 19 folgt der nächste Posten, sogar mit warmer Bouillon, die ist perfekt für den Salzverlust. Dann biegen wir ab und laufen – zur Abwechslung vor dem Wind – auf die Petersinsel. Wunderschöne Gegend mit schönem Hotel und beliebt für Hochzeiten. Der Biergarten ist allerdings verwaist und bietet nur Wasser und Gel... Der Wind ist inzwischen wirklich unangenehm, gelegentlich fallen einige Tropfen. Die Runde um die St.Peters- (Halb)insel beträgt hin und zurück ziemlich genau 10 km, davon rund 4 km vor und 4 km gegen den Wind. Wir versuchen es mit Windschatten-Laufen…

Zurück in Erlach geht es dann ein kurze Weile vom See weg Richtung St. Johann. Und plötzlich reisst das Wetter auf. Hier erwischt der Hammermann meinen amerikanischen Mitläufer und er muss abreissen lassen. Ich laufe in meinem Tempo weiter. Es ist mein Wohlfühltempo, so habe ich nun meine Dauerläufe gemacht und teils sogar die Lonjogs.

Und da der Wind von hinten mit rund 5 Beaufort schiebt und die Sonne inzwischen scheint, ist es ein Genuss zu laufen. «Geniess es!» sage ich mir immer wieder. Und wenn ein Muskel schmerzt sage ich ihm in Gedanken: «schön, dass du so brav arbeitest». Ich spiele das ganze Repertoire an mentalen Strategien durch. Und erkläre unterwegs mehreren Spaziergängern, was für ein Rennen da gerade am Laufen ist.

Die nächsten Verpflegungsposten sind nun im 5 km Abstand. Hier fällt mir immer wieder auf, wie viel Zeit sich die Läufer nehmen bei der Verpflegung. Nicht einfach zwei Becher schnappen und weiterhetzen. Sondern anhalten, trinken, essen, ein paar Scherze. Gespielter Streit um die begehrten Balser Leckerli. Schwatzen mit den andern, die gerade eintrudeln, den Helfern danken, dann geht es weiter. Entsprechend liegen auch nur ganz wenige Becher am Weg herum.

Bei der Marathonmarke mein erstens persönliches Ziel abgehakt: einen 42 km ohne Einbruch, ohne grössere Probleme gelaufen. Vor 2 Jahren war der Hammermann noch bei km 27 postiert und ganz durchgelaufen bin ich erst einen Marathon und nicht ganz problemlos. Gut, das mag mit dem Tempo zu tun haben, ich bin 25 Minuten langsamer als meine Bestzeit. So what… es ist schön zu laufen. Und nun noch 8 km? 8 km mehr zum Geniessen von einem sonnigen Frühlingssturm.

Auf den nächsten Kilometern überhole ich sogar noch einige Läufer, obwohl ich ab der Marathonmarke bewusst nach jedem Kilometer laufen rund 500 m gehe. So lege ich die letzten 8 km in einer Stunde zurück. Vermutlich hätte ich da sogar noch etliche Minuten schneller sein können. Aber ich habe mir fest vorgenommen, das Ganze als Longjog zu laufen. Das heisst, spätestens in 2 Tagen will ich wieder normal trainieren können, es ist nur ein Plauschrennen.

In Biel dreht das Wetter plötzlich, schwere Tropfen fallen und der Wind peitscht Wasser vom See her weit über die Uferpromenade. Hier, 1 km vor dem Ziel überhole ich den Sieger vom 200 km Lauf, der hier wirklich mit sich kämpft. Den Läufer vor mir hingegen lasse ich ziehen. Ich gebe es zu: ich richte es so ein, dass ich alleine ins Ziel einlaufe. Das wird mir wohl selten im Leben vergönnt sein und auch noch mit Namen begrüsst werden. Diesen kleinen Triumph will ich wirklich auskosten – und weder dem Vordermann noch dem 200 km Läufer stehlen.

Die Sonne zeigt sich, als ich mit offiziellen 5 h 29:24 einlaufe.

Mein Minimal-Ziel war ankommen. Unter 6 Stunden hätte ich als gute Zeit angesehen, alles unter 5:45 wäre super. Gelaufen bin ich auf 5:30 und habe das, dank einem klar schnelleren 1. Teil sogar ins Ziel gerettet.  Happy! Und ich bin noch längst nicht letzter, auch wenn mich etliche ältere Läufe weit distanzieren (Ihr kennt den Typus: «ich konnte nicht so gut trainieren, habe heuer erst 2000 km gemacht…») und der Sieger mit gerade mal 3:30 einläuft…

Der Weg zur Dusche kommt mir massiv länger vor als am Morgen, die Treppe in die Garderobe hinauf ist reine Schikane und wieder hinunter pure Folter…In der Garderobe erwischt mich, wie nach jedem ganz langen Lauf der Schüttelfrost. Glücklicherweise ist eine der beiden Duschen frei und warm. Aber auch ohne Medaille oder ohne T-Shirt bin ich zufrieden. Ich bin über meine Grenze hinausgegangen. Und ich hatte wirklich den ganzen Tag einfach Spass.

 

I’ll keep on running.

Hansruedi