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Am Südrand des Ruhrgebietes im Bergischen Land liegt der Ort Lennep, Geburtsort des Physikers und Nobelpreisträgers Wilhelm Conrad Röntgen. Nach ihm ist auch ein wunderschöner Wanderweg im Bergischen Land benannt: Der Röntgenweg. Zum 19. Mal wurde am 27. Oktober dort der Röntgenlauf durchgeführt: Für jeden Geschmack war etwas dabei: 500 und 1000 m Crosslauf, 5 km, 10km, Halbmarathon, Marathon und Ultramarathon. Schön vor allem, dass man sich auch während des Laufens noch umentscheiden kann: Marathon statt Ultra oder Marathon statt Halbmarathon. Jeweils nach 21,1 km stehen Shuttlebusse bereit, die einen zurück an Start/Ziel bringen. Auch Staffeln sind möglich (3 mal 21,1 km). Als meine Freundin vorschlug, dort wieder als Damenstaffel zu laufen, war ich gleich Feuer und Flamme, denn so sah ich die Chance, als erste Läuferin der Staffel dann eben so weit zu laufen, wie ich konnte und meinen 19. Wettbewerb 2019 zu bestreiten.
Außerdem waren da wieder die drei großen „E“s: Eitelkeit, Eselei und diesmal besonders der Ehrgeiz: nämlich die bisher weiteste Strecke meines Lebens zu laufen: schon vorher hatte ich mit dem Gedanken gespielt, in Remscheid den Ultralauf mit 63,3 km zu wagen: eine schöne Strecke stand dort auf dem Programm: 63,3 km mit gut 1200 Höhenmetern gewürzt. So konnte ich beides verbinden: eine nette Staffel und den Versuch, meinen zweiten Ultramarathon zu laufen. Ich freute mich riesig und auch die schlechten Wetterprognosen hielten uns nicht von unserem Vorhaben ab. So starteten wir Sonntag morgen um 6 Uhr nach Remscheid-Lennep. Nach einer kurzweiligen Fahrt durch Dunkelheit und Regen erreichten wir unser Ziel in Lennep. Meine Aufregung war riesig: 63 km war ich noch nie gelaufen, aber ich konnte ja jederzeit aussteigen. Gut gestärkt mit Kaffee und Marathonschnecken ging es mit zwei Startnummern am Bauch und zwei Chips am Fuß an den Start um 8.30 Uhr. Gegen alle Prognosen war es trocken und so sollte es den Tag über glücklicherweise auch bleiben. Zunächst ging es eine Runde durch den Ort Lennep, in dem die Anwohner schon kräftig Stimmung machten, denn hier liefen die Ultras, die Staffeln, die Halbmarathonis und die Walker und Nordic Walker vorbei. Danach verlief die Strecke auf dem herrlichen Röntgenweg, recht wellig, mal durch kleine Orte, mal durch Wald und Wiese. Eine wunderschöne Strecke zum Genießen. Beim letzten Anstieg stärkte uns ein Prosecco, der dort traditionell von den Anwohnern, die uns lautstark anfeuerten, bereit gehalten wurde. so lief es auf dem folgenden Weg bergab dann federleicht. Bei km 21,1 und nach 2 Stunden dann die erste Wechselstation. Birgit übernahm und ich übergab meine Handschuhe und Jacke an Barbara, die meinen Kleiderbeutel betreute. Da es bisher super lief, wollte ich natürlich weiterlaufen auf die 2. HM-Strecke. Zunächst liefen Birgit und ich ein Stück zusammen, doch an einer Steigung konnte ich ihr Tempo nicht mitgehen und wie verabredet lief sie ihr Tempo und ich langsamer hinterher. Der Röntgenweg im Herbst weiterhin traumhaft schön, sehr wellig. Ab km 30 meldete sich dann mein Knie. Aber bis zur nächsten Wechselstation konnte ich ja überlegen, ob ich bei der Marathondistanz aussteige. Das beruhigte mich sehr. Ich lief weiter, machte hin und wieder ein paar Fotos. Es ging unter der Müngstener Brücke her, der höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands, aber leider gab es keine gute Perspektive, aus der man sie fotografieren konnte. Nach 4.24 Stunden erreichte ich die Wechselstation. Dort wartete Birgit auf mich mit trockenen Sachen und meiner Verpflegung. Aussteigen? Oder doch versuchen. Ich überlegte nur kurz und entschied mich fürs Weiterlaufen. Schließlich hatte ich mein Handy dabei und damit die Möglichkeit, Birgit und Barbara anzurufen, damit sie mich abholen konnten, wenn ich wirklich am Ende war. Der nächste Streckenabschnitt führte an der Eschbachtalsperre entlang, der ersten Trinkwassertalsperre Deutschlands, die wunderschön im herbstlichen Wald lag. Dort führte der Weg weiter leicht bergauf. Mittlerweile war ich ganz schön ko, das Bein zwickte und ich absolvierte die nächsten Kilometer nach dem Motto „Laufen, bis es nicht mehr geht und dann gehen, bis es wieder läuft“. Alle 5 Kilometer gab es auch eine Verpflegungsstation mit Müsliriegeln, Bananen, Salz, Wasser, Tee, später auch Würstchen und Bier. Bei km 47 war ich kurz davor, mein Taxi anzurufen. Warum tat ich mir das an? Hier schoss das zweite große E für Eselei in meinen Kopf. Doch es gewann keine Überhand, denn genau dort traf ich auf einen Bekannten, mit dem ich erzählend immer wieder ein Stück vorwärts kam und gar nicht bemerkte, dass schon Kilometer 50 hinter uns lag. Das motivierte und ich wollte doch weiter laufen. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich selbst wenn ich den Rest der Strecke gehend absolviere noch vor Zielschluss (17.30 Uhr) das Ziel erreichen könnte. Also ging es weiter, der Weg immer noch traumhaft, an der Wuppertalsperre vorbei. Beim nächsten Anstieg musste ich eine Gruppe von 4 Frauen passieren lassen, die mehr Kondition hatten als ich. Aber egal. Ich wollte ankommen. Den allerletzten Anstieg absolvierte ich wieder gehend, lernte eine nette junge Frau aus Hamburg kennen, die super glücklich war, ihren ersten Ultra ins Ziel zu bringen. Den letzten Kilometer rafften wir uns noch einmal auf und liefen beide dann überglücklich ins Ziel. Es gab eine Medaille und Birgit wartete zum Glück schon mit meiner Jacke und organisierte mir etwas zu essen. Die Stufen zur Dusche hoch waren eine einzige Quälerei, meine Beine schwer wie Blei. Noch schlimmer war es dann, die Stufen anschließend wieder herunterzugehen. Daher schaffte ich es auch nicht mehr bis in die Halle um die Ergebnisse zu erfahren. Erst auf der Rückfahrt (zum Glück ist Birgit gefahren, ich war nicht mehr in der Lage, den Gashebel zu treten) erfuhren wir, dass unsere Staffel Sieger der Frauenstaffeln (in 6.28 Stunden) war und ich hatte mit 6.59.44 tatsächlich die AK 55 gewonnen (zum 11. Mal in diesem Jahr). Am Abend zu Hause machte sich dann das dritte E breit: Eitelkeit: Bilder und Medaillen wurde noch schnell auf Instagramm und Facebook gepostet, damit die ganze Welt sehen konnte, dass ich es geschafft hatte, 63,3 km zu bewältigen. Der Tag danach stand dann wieder unter dem Zeichen der Eselei: ich konnte kaum die Treppenstufen steigen und ich dachte, dass ich nieeee wieder laufen könnte, aber mittlerweile geht auch das wieder. Das eigentliche E dieses Laufes das E für Erlebnis Insgesamt ein toller, erlebnisreicher Tag, eine wunderschöne Strecke, tolle Organisation.. Ich war bestimmt nicht zum letzten Mal dort. Nächstes Jahr gibt es dort einen Jubiläumslauf, bei dem auch die 100 km angeboten werden, aber die spare ich mir für Biel auf.
Fotos kann man sehen unter
https://photos.app.goo.gl/Xmrom8eH5ZwzVG1Q8